Rückenschmerzen: Trotz Behandlung – der Schmerz bleibt
„Ich habe Rücken!“ – mit dieser etwas flapsigen Formulierung werden Rückenschmerzen beschrieben. Mehr als 80% der Bevölkerung sind mindestens einmal in ihrem Leben davon betroffen. Erstaunlicherweise erwischt es auch diejenigen, die Sport machen und sich ansonsten einer guten Gesundheit erfreuen. Wie ist das Phänomen zu erklären? Verschiedene Studien, beispielsweise die der Bertelsmann Stiftung (November 2016), haben das Phänomen beleuchtet und interessante Zusammenhänge festgestellt.
Betroffene suchen oft den Rat eines Spezialisten. Dadurch werden natürlich die Krankenkassen alarmiert. Nicht zuletzt deshalb, weil sich inzwischen gezeigt hat, dass in den meisten Fällen nicht die teure „Apparatemedizin“ der Schlüssel zum Erfolg ist. Mögliche Ursachen lassen sich oft ohne aufwendige Untersuchungen eingrenzen. Nicht selten findet sich der geeignete Ansatz für eine wirkungsvolle Behandlung schon allein im ausführlichen Gespräch mit dem behandelnden Arzt.
Was kann der Einzelne selbst gegen die Schmerzen im Rücken tun? Wann sollte ein Arzt aufgesucht werden? Tipps und Informationen, im Folgenden zusammengestellt, geben eine Antwort.
Rückenschmerz ist nicht gleich Rückenschmerz
Es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz – Schmerzen im Rücken sind keine „Zipperlein“. Besteht der Verdacht, dass die Schmerzen nicht von Bewegungsmangel oder ungünstiger Körperhaltung herrühren, sie sogar bereits über eine längere Zeit anhalten und an Stärke zunehmen, sollte ein Arzt konsultiert werden.
Treten sie im unteren Bereich des Rückens, im Englischen „lower back pain“, auf, betreffen sie die Lendenwirbelsäule. Die Schmerzen weisen nicht immer auf eine Ursache an der Wirbelsäule hin. Sie können auch auf Erkrankungen von anderen Körperregionen hinweisen. Zum Beispiel kann es auch an einer Erkrankung der Genitalien, der Nieren oder der Bauchspeicheldrüse liegen.
Im mittleren Bereich der Wirbelsäule führen am häufigsten Verletzungen oder Muskelreizungen zu den Schmerzen.
In der Nacken- und Schulterregion ist überwiegend eine falsche Körperhaltung am Arbeitsplatz verantwortlich für die Beschwerden. Auch psychische Faktoren werden hier schmerzhaft spürbar.
Unterschieden werden, je nach Dauer, die akuten Beschwerden, die maximal sechs Wochen andauern, von den chronischen, wiederkehrenden. Sie können über drei Monate und länger das Befinden einschränken. Bei letzteren steigt deutlich die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene weitere Beschwerden oder Erkrankungen hat. Diese gehen oftmals mit Gelenkerkrankungen, Osteoporose oder Depressionen einher.
Bei spezifischen Erkrankungen mit Rückenschmerzen lässt sich eine eindeutige Ursache feststellen und diese kann durchaus außerhalb der Wirbelsäule liegen. Verspannungen nach Fehlbelastung, Blockaden oder Verschleiß gehören dazu. Aber auch eine Gürtelrose oder Nierenbeckenentzündung verursacht Schmerzen in der Rückengegend. Weitaus häufiger wird der Arzt jedoch mit unspezifischen Rückenschmerzen konfrontiert. Bei denen ist häufig keine eindeutige Ursache nachweisbar. Dies macht die Situation schwierig und verleitet den gerne Mediziner zu einer ausgedehnten Diagnostik. Diese schließt oft die kostspieligen bildgebenden Verfahren ein.
Der Arzt als Freund, aber nicht immer als Helfer
In der Bertelsmann Studie zum Thema Rückenschmerzen als Volksleiden wurde resümiert, dass viele der Arztbesuche und Untersuchungen überflüssig sind. Jedes fünfte Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sucht mindestens einmal im Jahr wegen eines Rückenleidens den Arzt auf. Davon erscheinen etwa 27 Prozent von ihnen sogar mehrmals in der Praxis. Dadurch wird klar, welche Kostenbelastung das Gesundheitswesen zu tragen hat. In vielen Fällen werden Röntgen-, Computer- und Magnetresonanztomografie-Aufnahmen zur Vervollständigung der Palette genutzt. Im Ergebnis zeigt sich jedoch, dass 85 Prozent der Untersuchungen keinen Befund ergeben. Und am Ende handelt es sich um eine akute und unkomplizierte Form des Rückenschmerzes.
Oft scheint es, als sei diese Form der Diagnostik bereits eine Art Behandlung! Bereits in 50 Prozent der Fälle wurde sie beim Erstbesuch angeordnet, ohne eine konservative Behandlung mit Physiotherapie oder Schmerzmitteln in Erwägung gezogen zu haben. Dieser vorschnelle Einsatz bildgebender Verfahren schlägt sich auf die Kosten im Gesundheitswesen und schließlich auf die Beiträge für die Krankenkassen nieder.
An die Stelle der gründlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung tritt immer stärker die apparative Diagnostik. Diese Tendenz wird sowohl durch die Daten der Bertelsmann Studie als auch die des Institutes für Gesundheitsforschung gestützt.
Diese Fehler deckte die Studie auf
Sieben Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung haben an der Studie teilgenommen und zum Thema Rückenleiden Auskunft gegeben. Eine bemerkenswerte Schlussfolgerung betrifft die Patienten selbst: Die Erhebung stellte fest, dass Patienten den Arzt offensichtlich gerne zu einem Durchleuchten mit Geräten überreden. Zudem wurde auf Fehler hingewiesen, die möglichst besser ausgeschlossen werden sollten.
Der erste Fehler ist schon die bloße Überlegung, den Arzt aufzusuchen. Oft erfolgt der Besuch zu früh, weil die Schmerzen auch ohne Behandlung nach kurzer Zeit wieder vergehen können.
Der zweite Fehler ist, dass die Patienten auf Gerätemedizin bestehen. Die damit erzielten Untersuchungsergebnisse werden oft überinterpretiert, was weitere Untersuchungen erforderlich zu machen scheint.
Der dritte Fehler ist die mit besorgter Miene vorgetragene Ruheempfehlung des Arztes. Sie ist in zweifacher Hinsicht fehl am Platze: Es verstärkt unangemessen das Krankheitsgefühl und widerspricht den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Nach denen ist gerade die gezielte Bewegung als Therapie zielführend. Es ist besser, den Rücken in Bewegung zu halten und vorbeugend zu trainieren. Getreu dem Spruch von Sebastian Kneipp (Hydrotherapeut und Namensgeber der Kneippkur): „Wer nicht jeden Tag etwas für seine Gesundheit aufbringt, muss eines Tages sehr viel Zeit für die Krankheit opfern.“
Der vierte Fehler ist die Tatsache, dass die Verordnung von Gerätemedizin seitens des Arztes (Orthopäden) oft zu schnell erstellt wird. Eine ausführliche Anamnese hilft, diese vorschnelle Entscheidung zu umgehen. Ein weiterer negativer Aspekt hierbei ist die Behandlung mit Röntgenstrahlen, die den Körper belasten. Nicht nur bei Frauen im gebärfähigen Alter ist diese Herangehensweise gefährlich.
Ein fünfter Fehler ist, dass aufgrund der Befunde von bildgebenden Maßnahmen falsche Diagnosen erstellt werden, die auf Überbewertung basieren. Dadurch erhält der Patient das Gefühl, dauerhaft oder gar chronisch krank zu sein und die Beschwerden kehren häufiger wieder zurück.
Selbst ist der Mann / die Frau
Natürlich beeinträchtigen Rückenschmerzen die Gesundheit. Es muss nicht erwähnt werden, dass die damit verbundenen Arbeitsausfallzeiten beträchtlich sind.
Bei akuten Rückenbeschwerden lohnt es, den Verlauf zu beobachten und nach möglichen Ursachen im täglichen Umfeld zu fahnden:
- Lassen sich diese vermeiden?
- Sind ungünstige Hebebewegungen schuld?
- Ist der Arbeitsplatz rückenunfreundlich eingerichtet?
- Kommen Bewegung und Sport im Alltag zu kurz?
- Macht anhaltender Stress zu schaffen?
Positive Veränderungen verhelfen zu einer Besserung und können ohne ärztliche Unterstützung vollzogen werden.
Bevor die schweren Geschütze bei der Behandlung aufgefahren werden, lohnt es sich abzuwägen, ob Entspannungsverfahren und autogenes Training den Stress abbauen können. Wärmebehandlungen lassen die Muskeln entspannen, auch Akupunktur kann die Schmerzen lindern. In anderen Fällen hilft auch schon mal die vorübergehende Einnahme von Schmerzmitteln. Spezielle Rückenübungen, oft in Kursen als Rückenschule angeboten, stärken die Muskulatur und damit die Gesundheit. Diese werden von vielen gesetzlichen Krankenversicherungen auch finanziell bezuschusst.
Besonders positive Effekte zeigen Pilates-Übungen bei chronischen, unspezifischen Beschwerden des unteren Rückens. In einer amerikanischen Publikation (Journal of Physical Therapy, 2016) wurden die Ergebnisse aus verschiedenen Studien zusammengefasst. Es konnte eindeutig belegt werden, dass sich durch Pilates die Beschwerden verringerten und die Beweglichkeit erhöht wurde. Pilates ist inzwischen auch in Deutschland keine Geheimwaffe mehr.
Informieren Sie sich über Rückenschmerzen – dann erst zum Arzt
Steht der Termin beim Arzt bevor, ist es nicht sinnvoll, sofort auf bildgebende Untersuchungen zu drängen. Wie der bekannte Mediziner und Kabarettist Dr. Eckart von Hirschhausen in seinem Video erklärt, schadet Überdiagnostik. Mit einem Augenzwinkern erklärt er, dass der Arzt nur lang genug hinschauen muss, damit sich etwas Ungewöhnliches entdecken lässt. Doch bleibt die Frage: „Besitzen diese sogenannten Veränderungen Krankheitswert?“ In der Regel nicht! Sie sorgen jedoch für Verunsicherung und lassen den Betroffenen sich gleich ein wenig kränker fühlen.
Dr. von Hirschhausen empfiehlt, zur Vorbereitung des Arztbesuches selbst einen Faktencheck durchzuführen. Fragen nach dem Beschwerdebild, bestimmte Informationen zu Begleiterkrankungen, Medikamenten sowie der Lebenssituation helfen dem Arzt, mögliche Ursachen einzugrenzen und andere auszuschließen. Am Ende des Gespräches sollte die Antwort nach der Ursache wie auch nach den Möglichkeiten der Behandlung stehen. Dabei ist es sinnvoll, nach alternativen Therapien wie auch den Risiken bestimmter Behandlungen gezielt zu fragen. Nicht zu vergessen ist auch die Auskunft darüber, was passiert, wenn nur abgewartet und beobachtet wird!
Unsere Wirbelsäule ist eine geniale Konstruktion wegen ihrer Stabilität und Beweglichkeit. Sie verdient unsere Aufmerksamkeit, schon bevor sie sich schmerzhaft bemerkbar macht. Nicht umsonst gehören Rückenschmerzen zu den Zivilisationskrankheiten. Lange sitzende Tätigkeiten und immer weniger Bewegung fördern Beschwerden. Obwohl das keine neuen Erkenntnisse sind, verschwinden sie immer wieder aus dem Blickfeld. Plagen erst die Schmerzen im Rücken, werden allzu rasch die „schweren Geschütze“ aufgefahren. Dabei wird oft übersehen, dass die einfachen Dinge wirkungsvoller sein können.
Nun genug gesessen und gelesen: Zeit für ein paar Übungen zum Ausgleich!
• Die Hände hinter dem Kopf verschränken und langsam nach links und rechts drehen, dann die Schultern locker hängen lassen.
• Nun die Hände mit verschränkten Fingern weit nach vorne strecken, dabei die Handflächen nach außen drehen und einen Buckel machen, mit dem Kinn zur Brust.
Es gibt zahlreiche Rückenübungen für zwischendurch und zur Entlastung des Rückens. Für rückenfreundlichen Sport ist es nie zu spät.