PKV-Chef Laue will Mitglieder gewinnen

Uwe Laue, Chef der Debeka und Vorsitzender des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e.V., möchte neue Mitglieder für die schwächelnden, privaten Krankenkassen gewinnen. Er fordert die Politik auf, die Pflichtgrenze deutlich zu senken. Dies birgt aber auch Risiken.

40.000 Euro Einkommenspflichtgrenze

Die derzeitige Pflichtgrenze für den Eintritt in die privaten Krankenversicherungen (PKV) liegt bei einem minimalen Jahresgehalt von 52.200 EUR für Angestellte. Nur Beamten und Selbstständige können sich frei in der privaten Krankenversicherung absichern und haben unabhängig vom Einkommen ein Wechselrecht. Nach den Forderungen Laues, solle die Pflichtgrenze auf ein Jahreseinkommen von 40.000 EUR abgesenkt werden. Somit würde die Zielgruppe der privaten Krankenversicherung erheblich vergrößert.

Hintergrund der Forderungen ist, dass die private Krankenversicherung unter zunehmenden Druck geraten ist. Niedrige Zinsen am Kapitalmarkt zwingen die Versicherer zur Kürzung der Altersrückstellung. Dazu kommt ein stagnierendes Neugeschäft, was die Privatversicherten bereits an den steigenden Beiträgen spüren dürften. Wie das Handelsblatt berichtete, werden rund drei Millionen Privatpatienten auch im kommenden Jahr deutlich höher ausfallende Beiträge an ihre Kasse überweisen müssen.

Auch die bevorstehende Bundestagswahl im September birgt ein Risiko für die private Krankenversicherungswirtschaft: gewinnt die Koalition aus SPD und Grünen, droht gar eine Abschaffung der PKV als Vollversicherung.

Ablehnung der Bürgerversicherung

Die von SPD, Grünen und Linkspartei geforderte Bürgerversicherung lehnt der oberste PKV-Lobbyist erwartungsgemäß ab. Laue äußerte gegenüber dem Handelsblatt: „Ich bin fest davon überzeugt, dass das duale System aus privater und gesetzlicher Versicherung das Gesundheitssystem insgesamt besser gemacht hat, als es ohne diesen Systemwettbewerb wäre“. Das duale System sichere Arbeitsplätze und Versorgungsqualität, so würde die Bürgerversicherung nach Einschätzung Laues die Qualität der medizinischen Leistungen senken.

Weil Ärzte auf höhere Honorare verzichten müssten, welche sie bisher bei den privaten Krankenversicherungen abrechnen konnten, würden in kurzer Zeit bis zu 30.000 Arztpraxen schließen. Das würde eine flächendeckende medizinische Versorgung in Deutschland gefährden. Laue ist überzeugt dass 200.000 bis 400.000 Arbeitsplätze durch die Bürgerversicherung verloren gingen.

Freie Wahl für alle

Der Debeka-Chef Uwe Laue wurde Anfang Juli zum Vorsitzenden des Verbandes der Privaten Krankenversicherer e.V. gewählt und geht jetzt in die Offensive. Neben der Ablehnung der Bürgerversicherung fordert er die Politik dazu auf, die Versicherungspflichtgrenze zu senken, ab der Arbeitnehmer aus der gesetzlichen in eine private Krankenversicherung wechseln können. Mehr Menschen sollten nach Uwe Laue die freie Wahl erhalten, ob sie sich privat oder gesetzlich versichern wollen.

Er verweist auf die historische Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung, die ursprünglich nur für besonders Schutzbedürftige eingeführt wurde. „Das sollte auch heute noch gelten“, sagte Laue den Reportern des Handelsblatts. Er glaube nicht, „dass 90 Prozent der Bürger schutzbedürftig sind.“

Kritik an der Absenkung der Versicherungspflichtgrenze

 

Nach Einschätzungen des Versicherungsboten entständen sowohl für die gesetzliche als auch die private Krankenversicherung durch die Absenkung der Pflichtgrenze unkalkulierbare Risiken. Die Privatversicherer zielen darauf ab, junge, gesunde und gutverdienende Arbeitnehmer durch die Senkung der Versicherungspflichtgrenze von den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) abzuwerben.

Doch jeder neue Privatversicherte führt zu Beitragsausfällen bei der GKV. So ist es nicht verwunderlich, dass die Politik Laues Forderungen als Angriff auf die Solidargemeinschaft der GKV wertet.

Zwar klingen mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem und mehr Wahlfreiheit für die Patienten auf den ersten Blick vernünftig. Jedoch wird schnell offensichtlich, dass die Absenkung der Versicherungspflichtgrenze zu einem Zwei-Klassen-Gesundheitssystem führen kann.

Da die Privatversicherer sich per Gesundheitsfragen die jungen und gesunden Patienten aussuchen dürfen und die gesetzlichen Krankenkassen hingegen jeden Bürger versichern müssen, droht die Gefahr, dass sich die GKV zu einem Sammelbecken für alte, kranke und sozial schwache Menschen entwickelt. Immer mehr Gutverdiener könnten sich aus dem Solidarsystem verabschieden. Die damit verbundenen, steigenden Gesundheitskosten in der GKV müssten zur Anhebung der Sozialversicherungsbeiträge führen und würden damit wieder alle Steuerzahler belasten.

Dabei können die privaten Versicherer laut einer Studie in der Regel nicht mit den Leistungen der GKV mithalten. Während in jungen Jahren niedrige Beiträge locken, sind Privatversicherte bei chronischer Krankheit oder im Alter mit permanent steigenden Beiträgen konfrontiert. Auch existenzielle Leistungsausschlüsse im Krankheitsfall sind keine Seltenheit. Leistungen, die in der GKV selbstverständlich seien, würden in vielen Privattarifen fehlen – etwa ein Grundschutz für psychische Erkrankungen und häusliche Pflegeleistungen.

Stimmen aus der Politik

Der CDU Gesundheitsexperte Jens Spahn sieht in der Senkung der Versicherungspflichtgrenze keine realistische Option. Der Politiker sprach sich stattdessen dafür aus, den Verbraucherschutz für Privatversicherte zu verbessern und für sie einen Mindestversicherungsumfang vorzuschreiben.

Die SPD sieht die Sache ähnlich. Nach Ansicht der Fraktionsvize Elke Ferner geht es Laue nur darum, leichter junge Kunden zu gewinnen, nachdem selbst das Einstiegsgehalt von Akademikern oft unter der Versicherungspflichtgrenze liegt und sie bisher nicht zu einer privaten Krankenversicherung wechseln können. Das Ausschlussverfahren durch hohe Risikozuschläge für die Älteren und Kranken würden diese Bevölkerungsgruppe dazu zwingen, in der GKV zu bleiben. Eine Neuauflage der „Rosinenpickerei“ zu Lasten der Krankenkassen werde die SPD daher nicht dulden.

Die Privatanbieter kennen breits die Vorwürfe, kranke Menschen kategorisch abzulehnen oder nur teuer zu versichern. Wie viele weitere private Krankenversicherungen will auch Uwe Laues Gesellschaft Debeka dieses Image verbessern. Die Debeka versichert nun auch dann wechselwillige Angestellte, wenn diese Vorerkrankungen haben. Möglich macht dies die Öffnungsaktion.

Der Risikoaufschlag  darf für die Versicherten nicht mehr als 30 % betragen – aber dieses Angebot ist eingeschränkt. Es besitzt nur dann Gültigkeit, wenn der Wechsel von der GKV zur PKV innerhalb von sechs Monaten erfolgt, nachdem der Angestellte die Versicherungspflichtgrenze überschritten hat.

Private Krankenversicherungen vergleichen