Dr. Zimmermann GF von Familiara

Expertenmeinung zur Pflegereform 2017

Interview mit Herrn Dr. Zimmermann, Experte im Pflegesektor

Dadurch dass wir unsere Artikel-Reihe zur Pflegereform herausbrachten, bekamen wir viele Fragen und positives Feedback von unseren Lesern – vielen Dank dafür! Da auch Herr Dr. Zimmermann darunter war und uns einen wertvollen Hinweis gab, haben wir die Gelegenheit genutzt und ihn um sein Expertenmeinung gebeten.

Wer ist unser Interviewpartner?

Dr. Zimmermann GF von FamiliaraUnser Interviewpartner Herr Dr. med. Jörg A. Zimmermann wurde in Freiburg geboren und kam beruflich über einige Stationen wie München, New York, Köln und Leipzig letztendlich nach Berlin, wo er nun seit sieben Jahren lebt und arbeitet. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er als Arzt in der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie und wurde danach für ein paar Jahre Aufsichtsrat in einem börsennotierten Unternehmen aus dem Bereich Medizintechnik. Aus diesem Unternehmen nahm Herr Dr. Zimmermann viele Erfahrungen und Ideen mit, die sich als Dienstleistung sehr gut im Pflegesektor anwenden lassen.

Zitat: “Ich habe mich deswegen schon damals intensiv mit dem Leistungsrecht der gesetzlichen Pflegeversicherung beschäftigt. Mir wurde schnell klar, dass die Pflegebedürftigen und ihre Familien oft völlig unzureichend über die ihnen zustehenden Leistungen informiert sind und es wenig konkrete Unterstützung
bei der Durchsetzung dieser Ansprüche gibt. Das wollte ich ändern“.

Jetzt leitet und gründet Herr Dr. Zimmermann bereits seit über 15 Jahren Unternehmen im Gesundheits- und Pflegemarkt, darunter die „PflegeBox“ und „Familiara“. Wir freuen uns sehr darüber, dass er dem Interview zustimmte und Zeit für uns fand.

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen! Wer mag, kann es auch gerne mit seinen Kontakten teilen.

Expertenmeinung zur ambulanten Pflege

ACIO: Wir stellen uns die Situation wie folgt vor: Die pflegebedürftige Person hat am Begutachtungstag zur Einstufung durch den MDK „einen guten Tag“ und erhält so einen niedrigeren Pflegegrad, als er eigentlich benötigen würde.

Frage:
Wie sollten Pflegebedürftige bzw. pflegende Personen bei der Beantragung der neuen Pflegegrade am besten vorgehen?

Dr. Zimmermann:
Das Problem phasenweiser oder tageszeitlicher Schwankungen, die dann zu falsch niedrigen Einstufungen führen, kennen wir, neben der Demenz, auch aus anderen Situationen. Viele Grunderkrankungen, z. B. der Morbus Parkinson, aber auch bestimmte Dauermedikationen haben einen stark wechselnden Einfluss auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Insofern sollte man im Vorfeld einer Begutachtung sehr genau beobachten, ob und in welchem Umfang diese Schwankungen vorkommen. Hilfreich ist sicher auch, mögliche Unterschiede über einen gewissen Zeitraum in einem Pflegetagebuch zu dokumentieren. In jedem Fall sollte man darauf achten, dass diese Schwankungen während der Begutachtung durch den MDK zur Sprache kommen.

Frage:
Sollte der Pflegebedürftige zu niedrig eingestuft worden sein, was sollten die nächsten Schritte sein?

Dr. Zimmermann:
Zunächst sollte man von einem Fachmann prüfen lassen, ob die Beurteilung im MDK-Gutachten korrekt ist. Wir stellen bei der Überprüfung dieser Gutachten leider immer wieder fest, dass pflegerelevante Umstände nicht ausreichend gewürdigt und der tatsächliche Hilfebedarf der betroffenen Person falsch beurteilt wurde. Auch im neuen System, bei dem die Einschränkungen der Selbstständigkeit eines Menschen beurteilt werden sollen, wird dies nicht anders sein.

Wenn klar ist, dass bei der Begutachtung Fehler gemacht wurden, sollte man innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat ab Zugang des Bescheides zunächst einen formlosen Widerspruch einlegen. Wir empfehlen dazu immer den Schriftweg per Einschreiben.

Sehr wichtig ist es, eine detaillierte Widerspruchsbegründung zu erstellen. Liefert man nämlich keine fachliche Begründung für den Widerspruch, kann die Kasse nach Aktenlage – ohne erneute Begutachtung der Person – entscheiden. Dies sollte man in jedem Fall vermeiden, weil ein Widerspruch ohne fachliche Begründung in der Mehrzahl der Fälle abgelehnt wird.

Die Widerspruchsbegründung sollte möglichst immer von einem Fachmann gemacht werden. Hier geht es im Wesentlichen darum, das Gutachten Punkt für Punkt anzugreifen und in Frage zu stellen. Nur so kann man den MDK davon überzeugen, eine erneute Begutachtung anzusetzen, um das Erstgutachten nochmals kritisch zu überprüfen.

Wenn man absolut sicher gehen möchte, im „zweiten Anlauf“ alles richtig zu machen, sollte man für das gesamte Widerspruchsverfahren einen Profi beauftragen. Das beinhaltet dann auch die persönliche Begleitung im erneuten Begutachtungstermin. Eine solche Leistung ist mit einer gewissen finanziellen Investition verbunden, rechnet sich aber, wenn man nach einem erfolgreichen Widerspruch rückwirkend Geld von der Kasse bekommt.

ACIO: Dadurch dass die Beantragung für Pflegestufen für den/ die Pflegebedürftige/ n oder die/ den Pfleger/ in erstmalig auftreten kann, stellt sich die Frage nach möglichen Unterstützern. Haben Fachärzte eine Möglichkeit generell, v.a. aber bei einer Falscheinstufung, zu unterstützen?

Frage:
Welche Möglichkeiten haben Fachärzte, die pflegebedürftige Person oder die pflegenden Angehörigen zu unterstützen? Gibt es dahingehend mit Einführung des PSG II merkliche Veränderungen?

Dr. Zimmermann:
Leider sind meine ärztlichen Kollegen oft zu wenig über die Möglichkeiten der gesetzlichen Pflegeversicherung informiert. Nach meiner Einschätzung hat sich auch nach Einführung des PSG II nicht viel an dieser Situation geändert. Sie sind daher in den seltensten Fällen gute Ratgeber, wenn es um die Beantragung von Leistungen oder um einen Widerspruch gegen eine vermutete Falscheinstufung geht.

Ich sehe eine wichtigere Rolle der Ärzte im Zusammenspiel der verschieden Akteure in Krankenhaus und Praxis mit externen Unterstützungsangeboten. Ärzte können – oft als erste Ansprechpartner für die Betroffenen – eine gewisse Lenkungsfunktion im „Dschungel der Pflegeversicherung“ übernehmen. Dabei geht es nicht nur darum, den Pflegebedürftigen zu helfen, sondern auch die pflegenden Angehörigen im Blick zu haben, um mögliche gesundheitliche Folgen ihrer oft großen körperlichen und seelischen Belastung frühzeitig zu erkennen.
ACIO: Thema: Geldmittel der ambulanten Pflege zuhause. Wie lange dauert es, bis zum ersten Mal Leistungen aus der Pflegeversicherung gezahlt werden?

Frage:
Wie ist der beste Weg, möglichst schnell Leistungen zu erhalten? Gibt es ein bestimmtes Vorgehen, das ratsam ist?

Dr. Zimmermann:
Das Gesetz legt fest, dass zwischen dem erstmaligen Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung und dem entsprechenden Bescheid maximal 25 Werktage – also fünf Wochen – vergehen dürfen. Leider hat der Gesetzgeber diese Frist angesichts der Mehrbelastung von Kassen und MDK durch die Einführung der Pflegegrade ausgesetzt. Wir rechnen deswegen damit, dass man in 2017 etwas länger auf seine Leistungszusage warten muss.

Innerhalb der für alle geltenden Rahmenbedingungen kann man allerdings mit Hilfe professioneller Pflegeberater versuchen, die Abläufe etwas zu beschleunigen und Verzögerungen zu vermeiden. Das trifft insbesondere für Widerspruchsverfahren zu, die sich oft über viele Monate hinziehen.

Frage:
Welche Leistungen kann man Ihrer Meinung nach selbst erledigen, welche sollte besser ein Pflegedienst übernehmen?

Dr. Zimmermann:
Diese Frage muss man immer nach der ganz individuellen Pflegesituation beantworten. Was möchte die betroffene Person? Gibt es Angehörige, die die Pflege übernehmen? Können die Angehörigen eine fachlich korrekte Pflege sicherstellen oder wird ein Pflegedienst gebraucht? Ist auf absehbare Zeit möglicherweise nur noch eine stationäre Pflege in einem Heim möglich?

Entscheidend ist – neben den persönlichen Präferenzen der Betroffenen und möglichen pflegerischen Vorbedingungen – immer auch die Frage, welche Geld- und Sachleistungen zur Verfügung stehen. Letztlich muss die Entscheidung, welche Pflegeleistung selbst erbracht oder „eingekauft“ werden muss, vom zur Verfügung stehenden Budget abhängig gemacht werden. Und weil dieses Budget ganz wesentlich von der Höhe des Pflegegrades abhängt, sollte man in jeder Phase der Pflegebedürftigkeit versuchen, eine möglichst hohe Einstufung zu erreichen.

Frage:
Oder ist doch sinnvoller, die Leistungen für die Pflegesachleistung komplett in Anspruch zu nehmen?

Dr. Zimmermann:
Neben der alleinigen Pflege durch Angehörige (Pflegegeld) und der alleinigen Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst (Pflegesachleistung) gibt es die Möglichkeit der Kombinationsleistung nach § 38 SGB XI. Hier „teilen“ sich Laien und Profis die Pflege. Wenn die zur Verfügung stehenden Beträge für den Pflegedienst nicht ausgeschöpft werden, erhält man ein anteiliges Pflegegeld ausgezahlt.

Fragen zur stationären Pflege

ACIO: Angenommene Situation: Nach einem Krankenhausaufenthalt ist eine Pflegebedürftigkeit gegeben. Es erfolgt eine sogenannte „Schnelleinstufung“ anhand der medizinischen Befunde (natürlich trotzdem durch den MDK) in Pflegegrad 3. Der Pflegebedürftige kommt ins Pflegeheim, wo aber festgestellt wird, dass maximal Pflegegrad 2 nötig ist.

Frage:
Ist es möglich, dass der Pflegebedürftige ausziehen muss, um ambulant gepflegt zu werden, da das Pflegeheim natürlich an Pflegegrad 3 mehr als an 2 verdient? Kann es zu Nachprüfungen kommen?

Dr. Zimmermann:
Oft muss auf dem Wege eines Eilantrages schnell nach Aktenlage über eine vorläufige Pflegebedürftigkeit entschieden werden. Das ist z. B. dann der Fall, wenn nach einem Schlaganfall und nach Abschluss der unmittelbaren therapeutischen Maßnahmen die Versorgung in einer so genannten stationären Kurzzeitpflege sichergestellt werden muss.

Da Leistungen der Pflegeversicherung grundsätzlich nur gewährt werden, wenn die Pflegebedürftigkeit voraussichtlich für mindestens sechs Monate bestehen wird, muss die Kasse immer dann eine Nachprüfung ansetzen, wenn mit der Möglichkeit gerechnet werden kann, dass der aktuelle Grad der Pflegebedürftigkeit nicht dauerhaft bestehen wird.

Wenn im Rahmen einer Wiederholungsprüfung bei einem stationären Patienten eine Rückstufung oder sogar eine vollständige Aberkennung der Pflegebedürftigkeit festgestellt wird, sollte man zunächst die Chancen eines Widerspruchs prüfen lassen. Wenn diese Chancen gering sind, müssen alle Beteiligten über eine Lösungsmöglichkeit sprechen. Ich kenne zwar keinen Fall, bei dem ein Heimbewohner kurzfristig „vor die Tür gesetzt“ wurde, aber eine Rückstufung wird mittelfristig für Betroffene und stationäre Einrichtung zum finanziellen Problem, das gelöst werden muss.

Frage:
Welche Herausforderungen wird es für die Pflegegrade 2 und 3 hinsichtlich der stationären Pflege geben?

Dr. Zimmermann:
Bis Ende 2016 galt: je höher der Pflegegrad bei der stationären Pflege, desto höher die gesetzliche Zuzahlung für die Betroffenen. Das hatte oft zur Folge, dass notwendige Höherstufungen angesichts der finanziellen Mehrbelastung vermieden wurden. Diese Regelung gibt es seit 2017 nicht mehr; die gesetzliche Zuzahlung ist nun für alle Pflegegrade 1 bis 5 gleich.

Aus Sicht eines Pflegeheims ist die abrechenbare Sachleistung bei Pflegegrad 3 gerade kostendeckend; bei Pflegegrad 2 ist es eigentlich ein Minusgeschäft, das über die höheren Pflegegrade 4 und 5 „quersubventioniert“ werden muss. Nach Meinung vieler Fachleute, mit denen ich gesprochen habe, war dies ein Grund für die Intention des Gesetzgebers, die niedrigeren Pflegegrade eher in die ambulante und die höheren Pflegegrade eher in die stationäre Versorgung zu „lenken“. Ob sich in den folgenden Jahren entsprechende Verschiebungen zwischen den beiden Bereichen ergeben, muss man abwarten.

In jedem Fall sollten Betroffene mit einem Pflegegrad 2 oder 3 regelmäßig prüfen lassen, ob eine Höherstufung Aussicht auf Erfolg haben könnte. Und die Betreiber stationärer Einrichtungen werden das, was man früher „Pflegestufenmanagement“ nannte – die regelmäßige Überprüfung der Heimbewohner auf Möglichkeiten der Höherstufung –, sicher deutlich verstärken.

ACIO: Durch die Pflegereform 2017 gilt jetzt noch stärker „ambulant vor stationär“.

Frage:
Wie ist Ihrer Einschätzung nach die Auswirkung der Pflegereform auf die Personal- und Pflegesituation in stationären Einrichtungen?

Dr. Zimmermann:
Ich denke, dass man frühestens in einem Jahr erkennen kann, welche Auswirkungen die verschiedenen Neuregelungen im Rahmen des PSG II hatten. Eine Prognose möchte ich zum heutigen Zeitpunkt nicht machen.

Frage:
Wie sieht die Zukunft der Altenwohnheime/Wohnstifte/Pflegeheime aus? Welche Alternativen gibt es in Zukunft?

Dr. Zimmermann:
Es gibt eine steigende Nachfrage nach alternativen Betreuungs- und Pflegekonzepten, wobei die Flexibilität des Angebotes im Vordergrund steht. Viele Kunden wünschen sich eine größtmögliche Selbständigkeit und Privatsphäre, verbunden mit der Nähe zu pflegerischen Angeboten, wenn diese in der Zukunft benötigt werden sollten.

Einige Anbieter haben darauf in den letzten Jahren reagiert. Ich kenne bauliche Konzepte, bei denen ein Ehepaar zunächst eine gemeinsame Wohnung beziehen und bei Bedarf ambulante Unterstützung in Anspruch nehmen kann. Wenn dieses „betreute Wohnen“ aufgrund einer gesundheitlichen Verschlechterung eines Partners nicht mehr möglich ist, kann die betroffene Person innerhalb des Gebäudes oder des Quartiers intensiver versorgt werden, während der Partner in der Nähe wohnen bleibt. Ich denke, dass diese Konzepte die Zukunft sind.

Frage:
Werden „klassische Altenheime“ weniger oder ist es an der Zeit, ein anderes Geschäftsmodell zu etablieren, bei dem es sich eher um Alten-WGs oder um Mehrgenerationenhäuser handelt?

Dr. Zimmermann:
„Klassische“ Altenheime wird es auch in Zukunft noch geben. Ich denke aber, dass es in Zukunft verstärkt auf Differenzierungsmerkmale ankommen wird. Das kann eine fachliche Spezialisierung sein, aber auch ein thematisches Angebot an die Bewohner. Ich jedenfalls würde für mich selbst zunächst eine Einrichtung bevorzugen, die mir die Möglichkeit gibt, meine persönlichen Hobbys und Interessen intensiv zu „leben“.

Pflege-WGs haben sich, nicht zuletzt aus der wirtschaftlichen Sicht der ambulanten Pflegedienste, längst etabliert; Mehrgenerationenhäuser sind eher noch selten. In jedem Fall werden sich Betreiber stationärer Einrichtungen immer stärker auch für ambulante Angebote öffnen müssen. Nach meiner festen Überzeugung haben Lösungen, bei denen die Grenzen zwischen diesen beiden Sektoren de facto nicht mehr existieren, das größte Zukunftspotenzial.

Wie schätzen Sie die Gesamtsituation mit der Neuen Pflegereform ein?

ACIO: Welche Auswirkung wird die Devise „ambulant vor stationär“ auf die Pflegenden, die Pflegebedürftigen und deren Geldmittel allgemein haben?

Frage:
Wie sehen Sie den Vergleich zwischen der Situation 2016 und der jetzigen Reform?

Dr. Zimmermann:
Kurz gesagt: Das PSG II ist in über 20 Jahren Pflegeversicherung vielleicht die erste Reform, die diese Bezeichnung wirklich verdient. Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff hat es einen tatsächlichen Paradigmenwechsel gegeben – weg von der „Minutenpflege“, hin zu einem holistischeren Bild bei der Frage, wie hilfebedürftig ein Mensch in seiner Gesamtheit ist. Mit den 64 Items, die zur Feststellung des Pflegegrades eingeschätzt werden müssen, ist das Begutachtungssystem allerdings auch deutlich komplizierter geworden.

Frage:
Wem hilft das Pflegestärkungsgesetz II wirklich?

Dr. Zimmermann:
In der Theorie all denjenigen, bei denen die mentalen Defizite im Vordergrund stehen: Patienten mit Demenz oder mit psychiatrischen Erkrankungen. Sie haben oft keinerlei körperliche Einschränkungen und waren im alten System der „Minutenpflege“ benachteiligt. Einige Experten befürchten allerdings, dass viele, die bei ihrem Erstantrag im alten System die Voraussetzungen für eine Pflegestufe I erfüllt hätten und heute in Pflegegrad 2 wären, nach den neuen Begutachtungsrichtlinien in den unattraktiven Pflegegrad 1 „abgeschoben“ werden. Ob sich das bewahrheitet, muss die Zukunft zeigen.

Frage:
Wie ist die Stimmung unter den Experten zu dem Thema?

Dr. Zimmermann:
Im Moment spüre ich eine gewisse Nervosität auf allen Seiten. Viele Gutachter des MDK oder von Medicproof fühlen sich im „Neuen Begutachtungsassessment“ noch nicht sicher – oder sind noch nicht einmal ausreichend geschult. Auch unsere Berater und Sachverständige haben bisher nur wenig praktische Erfahrung damit. Wir haben uns allerdings seit einem Jahr intensiv vorbereitet und sind zuversichtlich, dass sich die allgemeine Unsicherheit bald legen wird.

Frage:
Die Leistungen für ambulante Pflege haben sich verbessert. Sind sie aber auch ausreichend für eine vollständige, zufriedenstellende Pflege?

Dr. Zimmermann:
Sicher gibt es eine gewisse positive Korrelation zwischen der Höhe der Leistungen und der Zufriedenheit der Betroffenen mit Ihrer Situation. Anders ausgedrückt: Eine in der subjektiven Einschätzung zu niedrige Einstufung, verbunden mit entsprechend geringeren Geld- und Sachleistungen, wird oft als Geringschätzung empfunden. Letztlich sind es aber viele weiter Faktoren, die über die Frage entscheiden, ob der Einzelne die Pflegesituation als zufriedenstellend wahrnimmt.

Immerhin sind erste Schritte in die richtige Richtung unternommen worden; viele für ambulant Pflegebedürftige wichtige Leistungen haben sich erhöht. Sie sollen auch in Zukunft weiter steigen können, falls die allgemeine Preisentwicklung dies notwendig erscheinen lässt.

Ob die zur Verfügung stehenden Budgets, auch nach Erhöhung der gesetzlichen Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung, ausreichen werden, um den tatsächlichen Bedarf abzufedern, wage ich zu bezweifeln. Ich denke, wir müssen uns irgendwann mit dem Gedanken anfreunden, bis zu fünf Prozent unseres monatlichen Einkommens zurückzulegen, um ein für alle ausreichend finanziertes System der Pflegevorsorge zu erreichen.

ACIO: Nochmals vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Zimmermann.

Unser Fazit:
Wir sind ebenfalls der Meinung, dass Menschen, die pflegebedürftig sind oder werden, durch die von der Pflegeversicherung zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichend versorgt werden können. Der Staat fängt nur einen Teil der Belastungen auf und die zusätzliche Unterstützung von Dienstleistungen wie denen der Firma „Familiara“ oder einer privaten Pflegezusatzversicherung sollte daher in Anspruch genommen werden.

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